Streifzüge für Stilnomaden

Unterwegs. Designaffine reisen schöner. Tipps und Must-Sees von Finnland bis Portugal.

Von Karin Lehner

 

Francois Savatier und Jean-Christophe Lalanne empfangen ihre Gäste in einem privaten Designmuseum: einem weißen Kubus, malerisch inmitten der Olivenhaine und Weingärten des portugiesischen Alentejo gelegen. Nur ist die Villa Extramuros mit Exponaten von Achille Castiglioni (Arco), Konstantin Grcic (Chair One) und Verner Panton (Flower Pot) weder Galerie noch Ausstellung, sondern ein vom Entree bis zum letzten Winkel durchdesigntes Exklusiv-B & B. Weil die Hausherren Kunst- und Design-Sammler aus Passion sind, entpuppen sich die Innen- wie Außenräume als gut gefüllte Schatzkammern. Die kantige Architektur im Museumsstil ist Bühne für das bunte Potpourri zwischen Jean Prouvé und Pop-Art. Die Räume sind so offen wie der Geist des Paars. So finden im Wohnzimmer oder der Küche spontane Designführungen statt. Oder ein Smalltalk über handverlesene Unikate.

 

Nach Brianza & Weil am Rhein

Teile davon wurden in der italienischen Brianza gefertigt – ein Geheimtipp für Stilreisende. Die Region zwischen Mailand und dem Comer See ist die Drehscheibe des Italo-Designs: B & B Italia produziert hier den ikonischen Sessel „Up“ von Gaetano Pesce. Auch Cassina, Minotti, Flexform, Poliform und Living Divani setzen mit lokalen Manufakturen auf das Gütesiegel „Made in Italy“. In die Geschichte eintauchen können Besucher im Mailänder ADI Design Museum. Eine Hauptrolle spielt der große Sohn der Region, Stardesigner Antonio Citterio – er wuchs in der Brianza auf.

Die Fusion von Architektur und Alltagsdesign bietet der Vitra-Campus in Weil am Rhein nahe Basel. Mit Gebäuden namhafter Architekten ist er ein Luxusspielplatz für Wohnsinnige: Von Herzog & de Meuron stammt das Vitra-Haus mit dem Flagshipstore – die Heimat von Panton Chairs und House Birds. Das Vitra-Schaudepot, ebenfalls vom Schweizer Architekten-Duo, beherbergt das Herzstück: die Sammlung mit rund 7000 Möbelstücken und 1300 Leuchten, darunter die Nachlässe von Panton sowie Charles und Ray Eames. Gleich daneben das Vitra-Design-Museum von Frank Gehry – bis 5. März 2023 läuft „Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine“. Selbst das Haus für die Werksfeuerwehr ist eine Sehenswürdigkeit: Es stammt von Zaha Hadid.

 

Eine Nacht mit Arne Jacobsen

Kopenhagen-Reisende haben die Qual der Wahl. Sie können das Designmuseum besuchen, müssen aber nicht. In der dänischen Hauptstadt ist gute Gestaltung allgegenwärtig. Im „Radisson Collection Hotel, Royal Copenhagen“ lässt sie sich bei einem Kaffee studieren: inmitten der von Arne Jacobsen gestalteten Lobby. Obwohl das Hotel wegen Umbauarbeiten als sein verlorenes Gesamtkunstwerk gilt, empfängt es Besucher im Entree immer noch mit türkisen Egg-, Swan- oder Drop-Chairs. Ihr Erfinder zeichnete ursprünglich für das komplette Interieur verantwortlich: Möbel, Lampen, Besteck und Textilien. Im Originalzustand ist nur mehr Zimmer 606 – Jacobsen-Fans logieren hier inmitten von Vintagemobiliar.

Als Tagesprogramm lockt ein Bahntrip ins „Lousiana Museum of Modern Art“: Dänemarks bedeutendste Stätte für Gegenwartskunst liegt am Ufer des Öresunds und beheimatet Andy Warhol, Yves Klein & Co.

 

Helsinkis Blumenmeer

Helsinki empfängt ebenfalls stilecht – als „UNESCO City of Design“ im „Design District“: einem Bezirk, der aufgrund der Shopdichte berühmter Brands wie Ittala, Artek und Eero Aarnio zur Herausforderung für die Geldbörse wird. Auf T-Shirts, Kleidern, Bettwäsche, Duschvorhängen und Topflappen sprießen hier überall bunte Blumenprints im Sixties-Stil. Was nach Ausverkauf klingt, ist Designgeschichte. Jene von Armi Ratia und Riitta Immonen, den Gründern des Textilunternehmens Marimekko (übersetzt „Maris Kleid“). Berühmt wurde es mit zwei Designerinnen: Vuokko Nurmesniemi in den 50ern und Maija Isola in den 60ern. Sogar Jackie Kennedy verliebte sich in die wilden Streifen- und Blumenmuster. Schnäppchenjäger zieht es ins Markenoutlet am Stadtrand.

 

Streetart in Valencia

Corinna Heilmann, die Programmdirektorin von WDC (World Design Capital), kürt mit ihrem Team alle zwei Jahre die Welthauptstadt des Designs. „Die meisten Menschen denken an konkrete Gegenstände. Dabei kann man auch einen Lebensstil designen.“ Zu bestaunen in der aktuellen Fokusstadt Valencia: Gassen voller Streetart, goldene Stadtstrände, der „Jardín del Turia“ – der längste Park Spaniens schlängelt sich als neun Kilometer langer Grüngürtel durch die Stadt –, organische Bauwerke des Stadtsohns Santiago Calatrava sowie alte Keramiktradition.

 

Fotocredits: Nicolas Matheus; Vitra